Stellen seit 25 Jahre die Zeitungen zu: Veronika Bieser (links) und Frauke Brudy aus Offenburg.
VON BETTINA KÜHNE
Ich brauchte dringend eine familienverträgliche Arbeit“, erinnert sich Frauke Brudy. Der Betrieb, in dem die Gartenbauerin gearbeitet hatte, hatte seinen Mitarbeitern auf den Winter hin gekündigt mit dem Hinweis, dass sie im Frühjahr wieder eingestellt werden würden. „Darauf wollte ich mich nicht verlassen und habe mich sofort beim MITTELBADISCHE PRESSE Zustellservice (MPZ) beworben“, sagt sie.
Jetzt wurde die Offenburgerin für 25 Jahre Betriebszugehörigkeit geehrt. Sie fühlt sich wohl, draußen zu arbeiten, das kannte sie ja schon durch ihren Lehrberuf. Sie engagiert sich seit mehreren Jahren im Betriebsrat der MPZ. Wichtig ist ihr auch, dass sie krankenversichert ist und sich bei ihrer Tätigkeit Rentenpunkte erwirbt. In ihren früheren Beruf ist sie nicht mehr zurückgekehrt, auch, weil sie so die Termine für ihre Familie leichter managen konnte.
Sie mag es, sich draußen zu bewegen. Kürzlich hatte sie Urlaub und wunderte sich, warum sie so schlecht schlafen konnte: „Mir hat mein Frühsport gefehlt“, meint sie mit einem Augenzwinkern. Ohnehin wacht sie ohne einen Wecker auf und geht dann gegen 4.30 Uhr auf ihre Tour. Wenn sie als Vertretung in anderen Gebieten aushilft, auch mal früher.
Schon als Jugendliche war Frauke Brudy zwei Mal pro Woche vor dem Schulunterricht als Dauerläuferin unterwegs. Jetzt kommen täglich zehn bis 15 Kilometer aufs Bewegungskonto, sechs Mal die Woche. Da begegnet man dem einen oder anderen. Einmal hat sie ein junger Mann ganz verdutzt angeschaut und „Ah, Sie sind die Zeitungsfrau“ gesagt. Er hatte gerade eine große Tüte mit Croissants gekauft und bot ihr spontan an, doch mal zuzugreifen. Einmal wurde sie unterwegs von einer Polizeistreife in Käfersberg als Zeugin befragte. Nach einem Vorfall seien zwei Männer auf
der Flucht, ob sie diese gesehen hätte… Sie muss wohl etwas bleich geworden sein, denn die Beamten beruhigten sie schnell: „Dann sind die schon über alle Berge – es besteht keine Gefahr mehr.“ „Die Zeiten haben sich schon gewandelt“, sagt die Zustellerin. Früher habe es im November den ersten Schnee gegeben, erinnert sich die 59-Jährige an ihre Anfänge als Zustellerin. Und jetzt? Wenn im Januar oder Februar tatsächlich ein paar Flocken fallen, freut sich Frauke Brudy riesig: „Diese unberührte Natur und die ersten Schritte darin, das ist richtig romantisch.“ Veronika Bieser pflichtet ihr bei. „Ich bewege mich dann ganz vorsichtig, dass alle anderen auch noch möglichst viel von der unberührten Schneedecke sehen.“ Auch sie ist seit 25 Jahren dabei, eigentlich noch viel länger, blickt sie zurück. Ihre Tochter, kaum volljährig, habe eine Zeitlang als Zustellerin gearbeitet. Da habe sie aus Sicherheitsgründen geholfen, wenn viele Nachtschwärmer zu befürchten waren. Um sich selbst dagegen hatte sie noch nie Angst. „Ich bin mit ein paar Brüdern aufgewachsen und kann mich wehren“, lacht sie. Einmal haben Soldaten mit ihrem Auto angehalten und sie hat überlegt, ob sie schnell genug in ihr Auto zurück gelangen könnte: „Aber sie haben nur nach dem Weg gefragt.“
Nette Freundschaften
Dass sie in den frühen Morgenstunden unterwegs ist, gibt ihr zusätzlich Sicherheit: „Da erwacht die Welt schon wieder.“ Licht im Zimmer schlafloser Senioren, Hundebesitzer auf der ersten Gassirunde, Söhne, die vor der Arbeit ihre Eltern besuchen: Sie ist bei weitem nicht die einzige, die früh auf den Beinen ist. Daraus hätten sich einige nette Freundschaften ergeben – manche grüßt man nur, mit anderen wechselt man ein paar Worte.
Auf der Hut sein muss Veronika Bieser nur bei der Zeitumstellung: „Das ist dann der Tag, an dem ich fast verschlafe.“ Im Sommer sei die Verschiebung weit angenehmer, weil da die Natur sehr schön ist: „Ich liebe es, wenn die Blumen so bunt in den Vorgärten leuchten.“
Fotos: Christoph Breithaupt