Sechs Mal pro Woche sind sie nachts unterwegs: die Zusteller der Mittelbadische Presse Zustellservice GmbH & Co. KG. Die meisten sprechen von bezahlter Fitness: Die Bewegung und die Konzentration bei der Tätigkeit halten sie fit. Wir stellen einmal pro Monat einen der rund 450 Austräger vor. Dieses Mal: Heike Leberer aus Offenburg.
Im Grunde ist das Zustellen Familiensache: Heike Leberer ist nicht die einzige, die von ihrer Familie nachts für die Mittelbadische Presse Zustellservice GmbH & Co. KG unterwegs ist. Neben ihrem Mann, welcher in der Planung tätig ist, stellen ihre beiden Töchter und der Schwiegersohn jeweils einen Zustellbezirk zu. Für sie selbst ist es ein Vollzeit-Job: Vier Bezirke versorgt sie mit Zeitungen und den Briefen von Badenpost, rund 40 Kilometer fährt sie nachts.
Eingestiegen ist sie, weil sie ihren Mann wieder mehr sehen wollte. Er hat im Jahr 2008 bei der MPZ als Disponent Aufgaben übernommen und war deshalb überwiegend abends sowie nachts beschäftigt. Sie selbst arbeitete damals in der Pflege – und zwar im Schichtbetrieb.
»Da kann man sich vorstellen, was an gemeinsamer Zeit übrig blieb«, erinnert sie sich. Daraufhin hat sie beschlossen, ihre Stunden zu reduzieren und als Zustellerin einzusteigen. Zunächst ein bisschen und testweise.
»Das hat gut funktioniert«, sagt sie. Die Kinder seien schon groß gewesen, als sie mit dem Nebenjob eingestiegen ist. Erst übernahm sie ein Gebiet in Ortenberg; bis heute ist sie dort zuständig. Später weitete sie ihr Engagement für die MPZ aus. Und dann reifte der Entschluss, das Austragen zu ihrem einzigen Beruf zu machen. »Ich habe gekündigt, um mich ganz aufs Zustellen zu konzentrieren«, sagt die 51-Jährige.
Es gab viele Situationen, in denen sich die Entscheidung als richtig erwiesen hat. Beispielsweise, als ihre Schwiegermutter Unterstützung brauchte. »Ich konnte mich dann tagsüber kümmern und auch für sie einkaufen gehen «, sagt sie. Aber natürlich: Wenn es gefühlt die 14. Nacht in Strömen gießt, denkt sie auch »Muss das jetzt sein?« In aller Regel schwingt sie sich nachts in ihren Twingo und fährt zur Abladestelle: Sie belädt ihren Kleinwagen mit den Zeitungsbündeln. Viele Packen sind es, alle so verstaut, dass sie nicht verrutschen können.
Dann wirft sie nochmals einen Blick auf die Kontrollliste: Wer ist in Urlaub und hat eine Abo-Unterbrechung? Gibt es neue Abonnenten? Oder eine Anweisung, weil ein neuer Briefkasten installiert wurde? Sobald sie im Bilde ist, konzentriert sie sich auf die Sendungen von Badenpost: Je besser die Tour vorbereitet ist, desto schneller geht es, wenn sie von Haustür zu Haustür zieht. Als erstes steuert sie die Wohngebiete in Ortenberg an. Dann geht es in Offenburg weiter, ebenfalls in zwei Wohngebieten. Zum Abschluss kommt das Gewerbegebiet West dran. Da das Gebiet extrem weitläufig ist, braucht sie gut eine Stunde, bis alle Zeitungen im Viertel verteilt sind. Dafür nähert sie sich aber ihrem Feierabend. Da schaltet sie dann einen Gang runter. »Ich brauche wenig Schlaf«, erklärt sie, wie sie ihr Pensum schafft. Denn wenn sie morgens gegen 6 Uhr wieder zu Hause eintrifft, setzt sie sich erst gemütlich hin, liest Zeitung und frühstückt. »Ich muss schließlich auch wissen, was da drin steht«, sagt sie. Dann schläft sie etwa zwei Stunden. »Ich bin Frühaufsteherin«, lacht sie. Dafür sei sie abends gegen 19.30 Uhr »wirklich platt«. Dann legt sie sich nochmals ab zum »Schlafen auf Raten «, bevor der Arbeitsalltag wieder startet. Wenn es kurzfristig klemmt, springt sie auch in anderen Gebieten als Aushilfe ein. Weit über 40 Bezirke hat sie im Kopf – vermutlich mehr als jeder andere Zusteller. Denn jedes Areal hat seine Besonderheiten, und wenn es dunkel ist, muss man sich besonders konzentrieren, dass alles im richtigen Zeitungsrohr landet.
»Manchmal sind die Höfe wirklich schlecht beleuchtet«, sagt sie. Auch wenn die Hausnummer nicht vorhanden oder die Postkästen nicht beschriftet sind, kann es schwierig werden.
Wett machen das dann die Komplimente, die sie von den Lesern bekommt. »Für mich ist das Zustellen ein Vollzeit-Job«, sagt die zierliche Frau. Das Krafttraining gibt es bei der Menge, die sie verteilt, gratis. »In der Form ist es manchmal schon ein Knochenjob«, schmunzelt sie. Aber wenn die Zeitungen dann nicht gerade wieder Feiertagsstärke haben, »überwiegen
für mich die Vorteile des Zustellerjobs eindeutig«.
Kein Wunder, dass sie so viel Begeisterung ausstrahlt für ihre Arbeit und dadurch nach und nach weitere Familienmitglieder mit ins Boot geholt hat. »Aber nur als Nebenjob«, lacht sie. Ihre beiden Töchter sind wie viele junge Frauen frühmorgens auf den Beinen. »Für sie ist der Vorteil, dass sie es gut mit der Familie vereinbaren können.« Und der Schwiegersohn sorgt für mehr finanziellen Spielraum, indem er eine Zustelltour übernimmt.
Foto: Ulrich Marx